Mertcan in Frankreich

Eine meiner besten Entscheidungen

Es gab viele Höhen und Tiefen im Laufe dieses Jahres, jedoch kann ich am Ende mit Stolz auf diese Zeit zurückschauen und sagen, dass ich es in keiner Weise bereue. Es hört sich zu Beginn unheimlich an, in einer Familie mit fremder Kultur ein Jahr zu leben. Allerdings konnte ich feststellen, dass es überhaupt gar nicht so viele Unterschiede gibt. Dies stellte ich vor allem fest, als ich für die Hochzeit meiner Cousine für ein Wochenende zurück nach Deutschland wollte und meine Familie daraufhin auch meine französische Gastfamilie auf die Hochzeit einlud. Als die beiden Familien gemeinsam am Tisch saßen, feierten und lachten, merkte ich, dass der einzige Punkt, der sie voneinander unterschied, die Sprache war. Dies gilt auch für die Gastfreundschaft und die Art und Weise, mit der ich in der Gastfamilie aufgenommen wurde. Oft stellte ich fest, dass meine Familie es genauso getan hätte, und dafür bin ich im Allgemeinen sehr dankbar, da ich weiß, dass ich großes Glück mit der Gastfamilie hatte.

Zu Beginn meiner Reise kam ich in der Stadt Blois an und nahm somit zum ersten Mal Kontakt mit meiner Gastfamilie auf. Dies war zuvor nicht möglich, da ich meine Gastfamilie 3 Tage vor der Abreise zugeteilt bekam. Als wir dann nach dem ersten AFS-Treffen nach Chartres fuhren, merkte ich, dass die Kommunikation mit der Gastfamilie etwas schwierig ist. Dies lag an meinen fehlenden Französischkenntnissen. In meiner ersten Gastfamilie hatte ich zwei Gastgeschwister, welche beide ungefähr in meinem Alter waren. Die Familie lebt in einem kleinen Dorf, welches mit dem Auto nur 10 Minuten von der Kleinstadt Chartres entfernt liegt. Da ich in Deutschland in einer Wohnung im Berliner Zentrum lebe, war das neue Zuhause eine große Veränderung für mich. Die zweite große Veränderung, bemerkte ich als ich durch die Tür lief und plötzlich von 3 Hunden überrannt wurde. Da ich zuvor noch nie mit Haustieren zusammenlebte, empfand ich die ersten Wochen große Angst vor ihnen.

Sucré-Salé – das französische Essen

Nichtsdestotrotz konnte ich mich irgendwann an die Hunde gewöhnen und kann jetzt sogar sagen, dass ich sie etwas vermisse. Den dritten Schock erlebte ich, als ich das erste Mal mit der Familie etwas gegessen habe. Das Essen in der Gastfamilie ist, im Vergleich zum Essen in meiner Familie, viel gesünder und deshalb meiner Meinung nach auch etwas unappetitlicher. Das sogenannte "Sucré-Salé", hat mir im Gastland schon viele Probleme am Esstisch bereitet. Diese Art von Gerichten ist in Frankreich sehr beliebt. Es verbindet den süßen und den salzigen Geschmack. Das heißt, dass man auch manchmal auf süßes Hähnchen mit Mirabellen zustoßen kann. Glücklicherweise brachte mir meine Mutter früh genug das Kochen bei, sodass ich ab und zu auch die Gerichte meiner Kultur präsentieren konnte, welche auch ganz gut bei der Gastfamilie ankamen.

Die Stadt Chartres ist ganz klar nicht die interessanteste in Frankreich. Die einzige Touristenattraktion, ist die riesige Kathedrale im Stadtzentrum. Jedoch kann ich als Schüler von kostenlosen Zügen nach Paris profitieren, weil Chartes nur 50 Minuten mit der Regionalbahn entfernt liegt. Aufgrund mehrerer Besuche in Paris, kenn ich mich jetzt sogar ganz gut in der Hauptstadt aus.

Nachdem ich mir erste Eindrücke vom Gastland machte, standen auch schon die Herbstferien vor der Tür. Es ging für mich gemeinsam mit meiner Gastfamilie in die "Bretagne". Dies ist eine Region, welche weit im Nordwesten Frankreichs am atlantischen Ozean liegt. Hier hat sich meine Gastfamilie vorgenommen 25 Kilometer pro Tag an der Atlantikküste zu laufen. Auch wenn die Bretagne im Sommer wahrscheinlich ein fantastischer

Urlaubsort ist, wurde es im Herbst mit dem ganzen Regen, Wind und mit der 25 Kilometer Strecke pro Tag etwas anstrengend. Trotzdem bin ich sehr dankbar dafür, dass die Familie sich dazu entschieden hat mich für diese Ferien mitzunehmen. Es war eine tolle Zeit, die ich mit ihnen gemeinsam erleben durfte.

Eine neue Familie

Am Ende der Herbstferien stand der Wechsel der Gastfamilie an. Ich wechselte die Familie, weil die erste Familie nur eine "Welcome-Family" war und mich deshalb nur für 2 Monate aufnahm. Ich war sehr aufgeregt, aber dennoch sehr verängstigt. Die neue Familie wurde nämlich dank meiner Schule gefunden. Das bedeutet, dass die Familie keine Familie von AFS war. Dies beunruhigte mich ein wenig, weil die Familie sich nicht mit dem Programm auskennt und vielleicht auch überhaupt keine Ahnung davon hat, was ich in Frankreich mache. Glücklicherweise kannte ich meine neue Gastschwester schon vorher aus meiner Klasse und konnte mich somit mit ihr vorher ein bisschen darüber unterhalten. Ich fragte sie warum sie sich dazu entschieden hätten, mich aufzunehmen und sie sagte mir, dass sie, genau wie ihre Familie, überhaupt keine Ahnung hätte. "Einfach so" ist für mich eine etwas außergewöhnliche Motivation, um jemanden bei sich für acht Monate aufzunehmen. Nichtsdestotrotz erlebte ich eine große Erleichterung, als ich bei der Familie das erste Mal ankam. Die Gastfamilie war super gastfreundlich, lieb, humorvoll und gelassen.

Ich fühlte mich in kurzer Zeit sehr wohl in dieser Familie und habe auch das Gefühl, dass meine Gastfamilie sehr zufrieden mit mir ist. In dieser Gastfamilie habe ich die Gasteltern, meine Gastschwester, welche auch in meiner Klasse ist und noch eine weitere Gastschwester, welche aber in Rouen studiert und deshalb nur jedes Wochenende und über die Ferien im Haus ist. Ich fühle mich sehr wohl in der neuen Familie, weil sie mich ein wenig an meine Familie in Deutschland erinnern. Gemeinsam Fernsehen schauen, Gesellschaftsspiele spielen, leckeres Essen zubereiten und essen, die Zeit gemeinsam genießen und vieles weiteres bereitet mir viel Freude während meiner Zeit im Ausland.

Jedoch war der Punkt, der mir am meisten Freude bereitete, der, dass meine Gastmutter unbedingt Kontakt mit meiner Familie aufnehmen wollte. Da dies für meine Mutter auch sehr wichtig war, fühlte sie sich auch wohler, da sie wusste, dass ich in guten Händen bin.

Das erste Mal Weihnachten

Die Zeit vergeht und Weinachten nähert sich. Gemeinsam mit meinen zwei Gastschwestern, dekorierten wir das ganze Haus und machten meinem Gastvater somit eine große Freude, da dieser Weihnachtsdekorationen liebt und deshalb gerne mal eine Christbaumkugel kaputt macht. Ich war aufgeregt, weil ich das erste Mal Weihnachten feiern würde. Wir feierten Weihnachten mit der ganzen Familie, deshalb gab es 18 Personen zu beschenken. Mein Stipendium "CHILDREN for a better world e.V." war so nett und schickte mir neben der monatlichen Rate, auch noch die Rate vom Monat Juli, sodass ich für jeden ein Geschenk besorgen konnte. Ich bin sehr dankbar mein Auslandsjahr mit so einem leistungsstarken Stipendium absolvieren zu können. Ich weiß, dass ich mich im Notfall immer auf CHILDREN verlassen und mich bei Problemen immer an sie wenden kann.

Nachdem ich jedem ein Geschenk geben und von jedem eins erhalten konnte, ging es für uns am Abend des 24. in die Kirche. Da ich als Moslem noch nie an der Weihnachtsmesse teilnahm, war dies eine Erfahrung für mich die ich nicht vergessen werde.

Was ich auch nicht vergessen werde, ist Paris im Dezember. Ich habe noch nie eine Stadt so wunderschön dekoriert gesehen wie Paris. Es war so schön, dass ich ganze fünf Mal mit Freunden nach Paris fuhr, um die Weihnachtsdekorationen zu bewundern. Von den "Champs-Elysées" bis zu den "Galeries Lafayette" ist alles beleuchtet und an jeder Ecke gibt es etwas Neues zu fotografieren.

Nachdem wir gemeinsam mit Freunden das neue Jahr feierten, ging es für mich und meine Gastfamilie direkt in die Alpen. Hier verbrachten wir eine Woche gemeinsam mit der Familie. Das war das erste Mal, dass ich die Ferien in den Bergen verbringe. Es ist auch das erste Mal in meinem Leben, dass ich so hohen Schnee gesehen habe. Die Ferien in den Bergen gefielen mir sehr gut. Es freute mich zu sehen, dass sich meine Gastfamilie im Urlaub erholen und entspannen kann.

Französischer Schulalltag

Die Gastfamilie unterstützte mich auch im französischen Schulalltag. Wenn ich die Oberstufe an meinem Berliner Gymnasium mit der französischen Oberstufe vergleiche, sehe ich auch hier mehr Parallelen als gedacht. Da ich an meinem Ganztagsgymnasium in der Oberstufe auch (je nach Stundenplan) von 8-18 Uhr Unterricht haben kann, schockierte mich der französische Stundenplan nicht unbedingt. Jedoch gibt es im Unterricht viel weniger mündliche Beteiligung, da in Frankreich keine mündlichen Noten vergeben werden. Ein Schüler-Lehrer-Dialog ist auch nicht vorhanden. Zum Beispiel wäre es in Frankreich unvorstellbar, die Lehrkraft bei einem Ausflug anzusprechen und mit dieser zu plaudern, wobei es in Deutschland schon als selbstverständlich gilt, an Ausflügen die Lehrkraft über ihr Privatleben oder über ihre Meinung zu bestimmten Dingen auszufragen.

Großes Glück hatte ich auch bei meinen Freunden, welche eines Tages auf mich zukamen und mich fragten, ob ich mit ihnen essen möchte. Aus einem Essen wurde dann eine Freundschaft für das ganze Schuljahr. Ich denke, dass ich sonst aufgrund meiner Sprachkenntnisse zu Beginn des Jahres niemals selbst Freunde gefunden hätte.

Eine Bereicherung für mein Leben

Dieses Jahr war eine Bereicherung für mein Leben. Ich konnte viele neue Menschen kennenlernen, kann jetzt eine neue Sprache fließend sprechen, konnte neue Orte bereisen und habe auch vieles über mich selbst lernen können. Dafür möchte ich gerne nochmal ein großes Danke an mein Stipendium Children for a better World e.V. aussprechen, ohne welches ich diese Erfahrungen niemals hätte sammeln können.

Cornelius Nohl