Filiz in Chile
Wüste, Freunde und Spaß: Meine Neuentfaltung in einer besonderen Kultur
Beginn eines besonderen Abenteuers
Denn überall war nur Wüste. Es gab echt nichts anderes, und ich dachte mir, ich hoffe, ich finde hier Menschen. Am Anfang hatte ich sehr viel Angst und war sehr nervös. Ich stellte mir ständig die Frage: Wo würde ich leben? Wie war meine Familie? Wie waren meine Geschwister? Die Frage ließ mich nicht los: Was, wenn meine Gastfamilie mich doch nicht wollte und nicht gekommen war? Nachdem ich landete, ging ich sofort zu meinem Gepäck. Doch das mit dem Herzklopfen hatte nicht aufgehört – im Gegenteil, es wurde immer schneller. Aber ich beeilte mich mit meinem Gepäck, ich wollte endlich meine Familie kennenlernen. Als ich dann alles hatte, ging ich zügig zu meiner Gastfamilie. Ich wusste ja schon vorher, wie sie aussahen, dank eines Fotos, das sie mir zugeschickt hatten. Als ich am Empfang ankam, rannte eine Frau auf mich zu – es war meine Gastmama. Sie umarmte und küsste mich, und ich fühlte mich sofort sehr wohl. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Ich dachte nur: "Wow, es wird mein Jahr!" Ich wurde so herzlich begrüßt, mit Umarmungen, es kam mir vor, als würde ich die schon seit Jahren kennen. Sie wirkten so sympathisch.
Kälte gibt es nicht
Ich kam Anfang August an, und obwohl dort Winter war, fand ich es warm. Ich erinnere mich noch, wie die anderen immer sagten: "Tengo frío" (Mir ist kalt) und mit ihren Schuljacken liefen, während ich nur ein T-Shirt trug und mir immer noch warm war. In den ersten Monaten ging ich immer so um 8 oder 9 Uhr schlafen wegen des 6-Stunden-Zeitunterschieds. Meine Eltern fanden es sehr witzig, weil wir hier in Deutschland immer erst so gegen 8 Uhr Abendbrot essen. Aber mittlerweile gehe ich ganz normal schlafen, so gegen 00:00 oder 1:00 Uhr.
Pünktlichkeit ist ein Fremdwort
Ich habe gelernt, nie einem Chilenen zu vertrauen, wenn er sagt, er trifft sich um 18 Uhr in der Stadt, denn das ist die größte Lüge! Man trifft sich dann meist erst um 19 oder 20 Uhr. In Chile war es völlig normal, dass sich alles verspätete, was mir anfangs schwerfiel. In Deutschland war es ja unüblich, 15 bis 20 Minuten nach der verabredeten Zeit zu erscheinen, aber hier war es völlig normal, eine Stunde zu spät zu kommen. Ich wusste das anfangs nicht und habe knapp 2 Stunden auf meine Freunde gewartet.
In Chile war Pünktlichkeit ein Fremdwort – außer in der Schule und bei der Arbeit, was aber selbstverständlich war. Hier brachten die Eltern ihre Kinder zur Schule, da es in Arica keine Bahnen gab. Jeden Morgen hörte man die hupenden Autos, weil die Eltern ihre Kinder zur Schule fuhren. Es gibt kein Land, in dem mehr gehupt wurde als in Chile. Die Leute schminkten sich oft im Auto, weil sie zu faul waren, früher aufzustehen, um lieber noch ein bisschen zu schlafen. Was ich auch gut verstand, denn wir gingen hier manchmal um 22 Uhr zum Besuch und grillten, obwohl meine chilenischen Eltern am nächsten Tag arbeiten mussten. Es war hier so schön, auch wenn es das Gegenteil von Deutschland war. Die Leute waren unglaublich freundlich und immer am Strahlen, egal wie es ihnen ging – schlecht oder gut, sie schenkten dir immer ein Lächeln. Das liebte ich an Arica. Ich war so froh, Chile gewählt zu haben, aber ich glaube, das lag vor allem daran, dass ich einfach in einer tollen Familie war, die mich akzeptierte und genauso liebte wie ihre eigenen Kinder. Sie behandelten mich wie meine Eltern in Deutschland, gaben mir jeden Tag Wärme und ließen mich fühlen, als wäre ich zuhause. Ich fühlte mich hier sehr wohl, fast wie in Deutschland.
Eine tolle zweite Familie
Ich hatte hier zwei Geschwister: eine Schwester, die 15 Jahre alt war, und einen Bruder, der 8 Jahre alt war. Am Anfang hatte ich nicht viel mit meinen Geschwistern geredet, vielleicht weil ich kaum Spanisch sprach. Aber da meine Mutter sehr gut Englisch sprach, war es nicht so schwer, mich mit ihnen zu verständigen. Mit meinem Gastvater sprach ich anfangs nur mit Armen und Beinen, da er kein Englisch konnte. Aber mittlerweile klappte alles super. Ich unternahm viel mit meinen Geschwistern – sei es schwimmen, in die Stadt gehen, feiern oder einfach zu Hause relaxen und einen Film schauen. Wir waren wie richtige Geschwister, die immer zusammenhielten und unzertrennlich waren. Meine Gastfamilie behandelte mich wie ihr eigenes Kind, und sie waren wirklich sehr freundlich und nett zu mir.
Zeit vergeht schneller wenn man Spaß hat
Die ersten fünf Monate vergingen so schnell. Ich fragte mich, wie es war, als ich noch neu hier war – vielleicht lag das daran, dass am Anfang alles neu war und ich mich mittlerweile wie zuhause fühlte. Kurz gesagt, mein Leben hier war fast schon nicht mehr wegzudenken. In den vergangenen Monaten machte ich viele wertvolle Erfahrungen. Ich war mit meiner Familie in Peru, was uns viel näher zusammengebracht hatte. Ich war mit meiner Klasse in Brasilien, wo ich auch viel näher zu meinen Mitschülern gekommen war. Außerdem hatte ich andere Städte in Chile mit meinen Tanten, Onkeln und Cousinen besucht und eine ganz andere Kultur kennengelernt und geschätzt. Ich hatte mich hier wirklich gut integriert.
Neue Schule heißt neuer Alltag
Ich besuchte eine der besten Schulen in Arica, eine Privatschule. Im Gegensatz zu Deutschland trugen alle Schüler eine Schuluniform. Am Anfang war es für mich sehr neu, da ich noch nie in meinem Leben eine Schuluniform getragen hatte. Ich fand es zuerst spannend, und jetzt war es einfach Alltag, was mir sehr gefiel, da es mir morgens die Entscheidung erleichtert hatte, was ich anziehen sollte. Nur im Sommer fand ich die Uniform zu warm.
Am ersten Schultag kam ich total aufgeregt an der Schule an. Ich konnte kaum ein Wort Spanisch und wusste nicht, wie die anderen reagieren würden, weil niemand in meiner Schule blond und so weiß war wie ich. Als ich in die Schule kam, wurde ich zuerst vom Direktor höchstpersönlich mit einem Küsschen auf die Wange begrüßt, und dann wurde ich in meine Klasse gebracht. Dort wurde ich ebenfalls herzlich von meinen Mitschülern begrüßt und auf die Wange geküsst. Und noch nie in meinem Leben hatte ich so schnell Freunde gefunden, mit denen ich noch immer in Kontakt stehe. Ich habe gelernt, dass Zusammenhalt das Wichtigste in der Schule war. Es gab kein Mobbing oder Auseinandersetzungen – wir waren wie eine Familie.
Fleisch, Fleisch und noch mehr Flesch
Ich habe bestimmt schon in den ersten sechs Monaten 20 Kilo Fleisch gegessen. Jeden Tag aßen wir Fleisch – ob gebraten, gekocht oder vom Grill. Avocado durfte nie in einem Haus fehlen. Am Anfang hatte ich Avocado gehasst, aber mittlerweile liebe ich sie. Ich hatte meinen Eltern in Deutschland schon geschrieben, dass ich zu Hause auf jeden Fall weiterhin Avocado essen möchte. Es konnte auch gut daran liegen, warum ich zugenommen hatte – ich aß einfach viel hier. Wir gingen fast jedes Wochenende mit der Familie ins Restaurant und aßen unglaublich viel.
Eine Gesellschaft mit einer anderen Perspektive
Die Jugendlichen hier waren ganz anders als die in Deutschland, und das war am Anfang ein bisschen schwer zu verstehen. In Deutschland war ich es gewohnt, um 21 Uhr zu Hause zu sein, wenn ich mit Freunden unterwegs war. Hier gingen die Leute erst um 20 Uhr raus, auch wenn am nächsten Tag Schule war, weil die Stadt von 14:00 bis 18:00 Uhr geschlossen war, weil die Leute faul waren (meinte meine Oma). Die Stadt war dann von 18:00 bis 22:00 Uhr geöffnet, Restaurants natürlich länger. Was mir hier am meisten gefiel, war, dass man sich keine Sorgen machen musste, mit wem man zusammen war, wie man sich anzog oder wie man sich gab. Hier wurde jeder akzeptiert, egal ob du mit dem kürzesten Rock der Welt rausgingst oder mit einem Pullover im Sommer. Niemand wurde gemobbt oder ausgelacht, und jeder wurde gleich behandelt. Die Leute schauten zwar auf das Aussehen, aber nur bei sich selbst. Und das Gute war, dass es hier kein "In" oder "Out" gab.
Mein erstes Weihnachten in Chile
Da ich Weihnachten nicht feiere, hatte ich hier meine erste Weihnachtsfeier. Es war ganz anders, als ich es von meinen Freunden kannte. Erstens hatten wir Sommerferien, und zweitens war es warm. Es gab keinen Schnee oder Regen, nur Sonne. Ich war zum ersten Mal im Weihnachtsstress, weil ich am 24. Dezember noch Geschenke kaufen musste. Der 24. Dezember war hier eigentlich ein ganz normaler Tag, und erst um 00:00 Uhr am 25. Dezember wurde das Fest mit Duftkohle gefeiert, die für Glück, Liebe, Gesundheit und Fröhlichkeit stehen sollte. Dann saß man zusammen, und einer spielte den Weihnachtsmann und rief die Namen für die Geschenke auf. Es wurden auch lustige Fotos gemacht, was ich viel besser fand als das klassische Weihnachtsfest. Danach aß man Kekse und Kuchen, ganz anders als in Deutschland. Am nächsten Tag, also am 25., gingen wir dann mit der ganzen Familie essen. Wir hatten einen Tisch in einem Restaurant gemietet, mit Swimmingpool – ganz anders als in Deutschland, wo man Weihnachten oft mit schicker Kleidung feiert. Hier feierte man Weihnachten mit Bikini, Sonne und Schwimmen. Es war ein bisschen verrückt, aber es gefiel mir sehr – vielleicht sogar mehr als das traditionelle Weihnachten.
Mein persönlicher Ausblick
Das Auslandsjahr hatte mehr Vorteile als Nachteile. Man lernt wirklich sehr viel und wächst über sich hinaus. Es machte mich stärker, mutiger und selbstbewusster. Ich habe gelernt, meine Meinung zu vertreten und sie durchzusetzen. Jetzt habe ich keine Angst mehr, Menschen neu kennenzulernen. Im Gegenteil, ich freue mich über neue Kontakte, egal ob im Ausland oder in Deutschland.
Es war wirklich etwas Schönes, neue Kulturen kennenzulernen und zu sehen, wie andere Menschen leben und welche Traditionen sie pflegen. Natürlich vermisst man die Familie und Freunde in Deutschland. Ein Jahr war eine lange Zeit, und man verpasst viele Dinge wie Geburtstagsfeiern oder besondere Anlässe. Aber gleichzeitig bekommt man auch mit, wie in anderen Ländern besondere Anlässe gefeiert werden. In dieser Zeit merkt man auch, wen man wirklich vermisst und was einem besonders wichtig war. Ich habe auch festgestellt, wer meine wahren Freunde sind.