Taylan in Thailand

Eine zweite Familie fürs Leben

Erste Eindrücke: Das Klima, die Menschen und der Verkehr

Was mir auch noch einen großen Eindruck hinterlassen hat, war, dass die Menschen ganz anders auf einen zukommen. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie man es beschreiben soll, aber die Leute sind einfach so höflich und interessieren sich sehr für einen. Es fing schon am Flughafen an, wo alle so freundlich waren – von den Mitarbeitern bis zu anderen Gästen und den Mitarbeitern von AFS Thailand. Auch später in meiner Stadt waren alle extrem höflich: Schüler aus meiner Schule, die Lehrer, Leute auf dem Markt und Freunde der Familie. Ich finde, auch die Leute in Deutschland sind meistens sehr nett, aber hier fühlt es sich einfach anders an. Zudem sind die Menschen viel positiver, obwohl sie oft keinen hohen Lebensstandard haben.

Verkehr und Klima: Herausforderungen im Alltag

Der letzte Punkt, der mir einen großen Eindruck hinterlassen hat, war der Verkehr. Er war sowohl positiv als auch negativ. Es hat mich überrascht, dass viele sehr rücksichtslos fuhren und sich nicht an Regeln hielten. Dennoch muss ich sagen, dass es hier, obwohl ich viel häufiger im Auto saß, viel weniger Stau und Unfälle gab als in Deutschland, obwohl ich hier auch der festen Überzeugung war, dass es deutlich mehr Verkehrsteilnehmer gab. Mittlerweile war das Wetter deutlich abgekühlt und auch viel angenehmer. Jetzt war mir bei 20°C sogar kalt – was ich sehr überraschend fand, da ich in Deutschland oft mit kurzen Sachen rumlief, nicht nur während der „warmen Zeit“.

Sprachbarrieren und Anpassungen an die Kultur

Mit den vielen neuen Eindrücken und einem ganz anderen Alltag gab es natürlich auch Umstellungen. Eine große Umstellung für mich war die Sprache. Da ich im Englischunterricht nie wirklich gut war, war das sehr unangenehm. Ich erinnere mich noch, dass ich immer so aufgeregt war, wenn ich sprach, dass ich mega viele Wörter vertauscht habe, was zu sehr unangenehmen Situationen geführt hat. Ein kleines Beispiel: Wir waren mit der Familie in einem Restaurant, und ich musste auf die Toilette. Ich ging zum Tresen, wo zwei jugendliche Mitarbeiter standen, und fragte: „How is the toilet?“ Ich korrigierte mich sofort, aber die beiden haben mich direkt verstanden und konnten sich das Lachen nicht verkneifen. Es war nicht der beste Moment für mein Selbstvertrauen, aber mittlerweile bin ich viel sicherer, wenn ich spreche – zumindest meistens.

Eine weitere große Umstellung war natürlich das Thailändische. Es ist sehr schwierig, hier etwas zu verstehen, und oft hatte ich das Gefühl, aus Gesprächen ausgeschlossen zu sein. Aber mit der Zeit wächst die Motivation, es zu lernen.

Spontanität und Humor

Ein weiteres interessantes Phänomen hier ist die hohe Spontanität der Thailänder. Früher war ich auch etwas spontan, aber in Thailand ist es mein komplettes Umfeld. Anfangs gab es für mich viele Unannehmlichkeiten, wie zum Beispiel, dass ich erst 5 Minuten vor dem Losgehen Bescheid wusste, dass wir in ein Restaurant fahren wollten. Ich war dann nicht so schnell fertig, hatte noch andere Pläne und so weiter. Mittlerweile geht es besser, da die Leute gemerkt haben, dass ich es in Deutschland anders gewohnt bin und ich ihnen erzählt habe, dass Spontanität bei uns nicht so üblich ist.

Was mir ebenfalls aufgefallen ist, ist eine Veränderung in meinem Humor. Ich finde viele Dinge jetzt viel einfacher witzig, und im Gegensatz zu früher, als ich oft versuchte, auf Krampf lustig zu sein, habe ich hier das Gefühl, mehr ich selbst zu sein. Auch mein Selbstbewusstsein hat sich deutlich verbessert. Ich glaube, als Austauschschüler ist man sehr interessant für viele, und das gibt einem ein gutes Gefühl. Es ist zwar manchmal unangenehm, wenn einem ständig „Hallo“ gesagt wird, aber es stärkt trotzdem das Selbstvertrauen.

Familie und Gemeinschaft in Thailand

Vieles war in Thailand sehr anders als in Deutschland, ein Punkt davon ist das Familienleben. Meine Gastfamilie bestand aus meiner Gastmutter, meinen drei kleinen Gastbrüdern und meiner Gastgroßmutter. Außerdem hatte ich noch in einem Ort ca. eine Stunde entfernt meinen Gastvater und meine zwei Gasttanten, die dort den Familienladen leiteten. Dort waren wir auch oft zu Besuch. Da es in Thailand meiner Erfahrung nach keine gesetzliche Rentenversicherung gibt, leben meist die Älteren bei ihrer Familie, die sie mitversorgt. Dies kann man sowohl positiv als auch negativ sehen. Meiner Gastfamilie ging es finanziell soweit in Ordnung, weshalb ich das Ganze eher positiv sehe. In Deutschland lebe ich nur mit meiner Mutter und meinem kleinen Bruder zusammen, weshalb ich in Thailand das „normale“ Familienleben sehr genossen habe.

Meine Familie bedeutet mir mehr als alles andere, aber hier habe ich richtig kennengelernt, was es heißt, eine „heile“ Familie zu haben und regelmäßig etwas mit der Familie zu unternehmen. Hier bin ich fast immer mit meiner Gastfamilie unterwegs, und das wird mir wahrscheinlich sehr fehlen, wenn ich zurückkomme. Ich freue mich auch sehr, die Gemeinschaft in Thailand zu erleben, da die Menschen hier unglaublich freundlich sind und viel zusammen feiern.

Das Leben mit meiner Gastfamilie: Herausforderungen und kulturelle Entdeckungen

Allgemein habe ich eine super tolle Gastfamilie erwischt. Am Anfang gab es ein paar Hürden, aber das hat sich nach einiger Zeit von selbst geklärt. Da ich das erste Gastkind meiner Gastfamilie war, waren sie sehr vorsichtig. Es war jedoch nicht nur dieser Grund, sondern auch, dass meine Gastfamilie mich sehr schnell ins Herz geschlossen hat und sich Sorgen machte. Ein großes Problem war auch die indirekte Kommunikation. Ich kenne es aus Deutschland, dass man ruhig noch einmal verhandelt, wenn man etwas machen oder haben möchte. In Thailand wird das aber nicht so gerne gesehen.

Allgemein ist meine Gastfamilie ein Teil meiner Familie, aber meine drei Gastgeschwister sind die wichtigsten Personen für mich in Thailand. Sie kamen immer zu mir, wenn sie ein Problem hatten, genauso wie ich zu ihnen, und sie haben mir auch richtig erklärt, wenn diese indirekte Kommunikation zustande kam. Ich habe die meiste Zeit meiner Freizeit mit meinen Gastbrüdern verbracht. Häufig waren wir im Park und in der Mall, außerdem waren wir auch einige Male im Tempel, besonders an Feiertagen. Dadurch habe ich auch ein wenig den Buddhismus kennengelernt. Der Abend wurde meist mit Auswärtsessen verbracht, da es in Thailand oft günstiger ist, draußen zu essen, als zu Hause zu kochen.

Erfahrungen in der Schule und Anpassung an das Leben in Thailand

Neben der Zeit, die ich mit meiner Gastfamilie verbracht habe, war ich viel in der Schule, da meine Schule in Thailand von morgens um 8 Uhr bis ca. 15:30 Uhr ging. In meiner Schule war es sehr „anders“. Viele schliefen einfach im Unterricht, waren am Handy oder konnten in Tests und Arbeiten schummeln, was ich aus Deutschland ganz anders kenne, da dort die Lehrer herumgehen und nach Spickzetteln suchen. Aber die Lehrer*innen und Schüler*innen sind alle sehr respektvoll zueinander, und auch ich als Austauschschüler durfte dies großzügig erleben.

Viele Schüler*innen an meiner Schule waren natürlich sehr an den Gastschüler*innen interessiert, aber in der Freizeit nach der Schule war es leider nicht so ausgeprägt mit dem Treffen von Freunden – außer mit der Freundin meines Gastbruders, deren Familie ebenfalls wie meine zweite Gastfamilie war. In Thailand ist es mir deutlich leichter gefallen, auf Englisch zu kommunizieren, aber auch selbstbewusster aufzutreten. Außerdem konnte ich die zehn Monate sehr genießen. Natürlich habe ich viel gelernt, aber es war dann doch eher wie ein Urlaub, in dem man das Leben sehr genossen hat.

Meine schwierigsten Zeiten waren die ersten Monate, da ich in Deutschland viele Freiheiten hatte, aber in Thailand eher eingeschränkt war durch einige Regeln im Gastland. An diese Einschränkungen habe ich mich jedoch irgendwann gewöhnt, weshalb es dann leichter ging.

Von der Gastfamilie bis zur Kultur: Meine wertvollen Erfahrungen in Thailand

Mein Bild von Deutschland in Thailand war ganz anders als zuvor. In Thailand gibt es z. B. eine hohe Armutsrate, zumindest nach meinem Empfinden. Da ist mir erst richtig klar geworden, was für einen Luxus wir bei einigen Dingen haben. Aber auch den Eindruck, den ich von den Thailänder*innen bekommen habe, was sie über Deutschland denken, möchte ich gerne einbringen. Ich hatte den Eindruck, dass sie einen sehr guten Eindruck von uns hatten, also dass wir wohl sehr höflich sind, dass man ein gutes Leben in Deutschland führen kann usw. Aber ich habe auch zwischendurch einige „Witze“ über die deutsche Geschichte gehört. Da hat man schon gemerkt, dass vor Ort meist nicht viel über die deutsche Geschichte gewusst wurde.

Nachdem ich aus meinem Gastland zurückkam, war es sehr schwer. Ich habe sozusagen meine Familie dort gelassen, gerade meine Gastbrüder vermisse ich sehr, das Essen und das allgemeine Miteinander.

Ich hatte zuvor große Zweifel an diesem Auslandsjahr, aber ich bin so froh, dass ich diesen Schritt gewagt habe. Es hat mir so viele Erfahrungen mitgegeben, ein anderes Weltbild, neue Sprachkenntnisse, eine neue Familie und neue Freunde.

Cornelius Nohl